Die Beseitigung schulischer und beruflicher Defizite ist ein Kernstück eines modernen Justizvollzugs. Unter den Gefangenen sind
überdurchschnittlich viele Schulabbrecher und Personen ohne oder mit abgebrochener Ausbildung. Lerndefizite, Bildungsmängel und
berufliche Perspektivlosigkeit behindern die soziale Integration und begünstigen eine kriminelle Entwicklung. Durch anerkannte
Abschlüsse nachgewiesene schulische Bildung und an den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts orientierte, auf den technischen
Fortschritt abgestimmte Berufsausbildung im Justizvollzug verbessern die Startbedingungen entlassener Gefangener beträchtlich und
geben ihnen eine echte Chance, den Weg zurück in die Gesellschaft zu finden. Die Eröffnung von Bildungschancen und die
Vorbereitung auf das Berufsleben durch schulische und berufliche Bildungsmaßnahmen ist daher ein wichtiger Beitrag für eine
erfolgreiche soziale Eingliederung der Gefangenen und hat im baden-württembergischen Justizvollzug einen hohen Stellenwert.
Deshalb werden in fast allen baden-württembergischen Justizvollzugsanstalten, besonders in den Anstalten für Jugendliche und
junge Gefangene, schulische und berufliche Bildungsmaßnahmen durchgeführt. Für den baden-württembergischen
Justizvollzug stellt der Staatshaushaltsplan 47,5 Stellen für hauptamtliche Lehrerinnen und Lehrern zur Verfügung. Durch diese
werden Schule und Unterricht organisiert und geleitet, unterstützt durch abgeordnete Lehrkräften aus dem Geschäftsbereich
des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg. Ergänzend erteilen nicht-hauptamtliche Lehrkräfte
stundenweise Unterricht, zum Teil auch ehrenamtlich. Berufsschulunterricht wird hauptsächlich von Lehrkräften aus dem
Geschäftsbereich des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg erteilt. Die Regierungspräsidien und
Schulämter vor Ort unterstützen die Bildungsmaßnahmen in den Justizvollzugsanstalten, insbesondere bei der Abnahme von
Prüfungen und bei der Gewinnung von geeigneten Lehrkräften für den Unterricht.
Der im Justizvollzug angebotene allgemeinbildende Unterricht orientiert sich an den für öffentliche Schulen geltenden
Bestimmungen. Der Erwerb der Abschlusszeugnisse bestimmt sich nach den vom Ministerium für Kultus, Jugend und Sport
Baden-Württemberg erlassenen Prüfungsordnungen. Entsprechend dem Bildungsstand und den Lernbedürfnissen der Gefangenen
differenzieren sich die schulischen Bildungsangebote in den baden-württembergischen Justizvollzugsanstalten in:
• Orientierungsunterricht;
• Alphabetisierung;
• Elementarunterricht;
• Förder- und Hauptschulkurse;
• Berufsschulunterricht;
• Realschulkurse;
• Höhere Bildungsabschlüsse (Abitur, Fernstudium);
• Migrationskurse.
Höhere Bildungsabschlüsse werden ausschließlich in der Justizvollzugsanstalt Freiburg angeboten. Im Fernstudienzentrum der
Justizvollzugsanstalt Freiburg können Gefangene mit Fach- bzw. allgemeiner Hochschulreife auch Fernstudiengänge absolvieren.
Gefangene haben ferner die Möglichkeit, sich mit dem Ziel eines anerkannten Bildungsabschlusses selbständig über Fernkurse
weiterzubilden.
Neben schulischen Bildungsmaßnahmen wird den Gefangenen in den Justizvollzugsanstalten des Landes durch ein breitgefächertes
Angebot an Ausbildungsmöglichkeiten die Chance gegeben, einen qualifizierten Berufsabschluss oder eine Grund- bzw. Teilqualifikation
zu erreichen. Die Qualifizierung zu anerkannten Ausbildungsabschlüssen erfolgt im Rahmen der dualen Berufsausbildung. Die praktische
Ausbildung findet in den vollzuglichen Ausbildungsbetrieben statt, die theoretische Ausbildung wird im Rahmen des Berufsschulunterrichts
geleistet. Derzeit können die Gefangenen aus einem Angebot von ca. 40 anerkannten Handwerksberufen auswählen,
schwerpunktmäßig in den Bereichen Metall, Holz, Druck, Papier und Ernährung. Neben der beruflichen Vollausbildung werden in
den Anstalten auch Lehrgänge und Kurzausbildungen angeboten. Diese Möglichkeiten sind vornehmlich für Gefangene bestimmt,
die wegen ihrer relativ kurzen Verweildauer für eine Vollausbildung nicht in Frage kommen, ihre Haftzeit jedoch nutzen möchten,
um eine berufliche Grundqualifikation zu erwerben.
Ausländische Gefangene und Gefangene mit Migrationshintergrund werden mit Alphabetisierungs- und Deutschkursen unterstützt. Zudem
werden auch Integrationssprachkurse angeboten, die sich an Ausländer, Aus- und Umsiedler sowie an Deutsche mit Migrationshintergrund
richten, die ihre Deutschkenntnisse verbessern und vertiefen möchten. Im Rahmen der Kurse wird auch die alltägliche und
berufliche Wirklichkeit in Deutschland reflektiert.
Das Bildungsangebot des baden-württembergischen Justizvollzugs wird ergänzt und abgerundet durch zahlreiche
Freizeitbildungsmaßnahmen wie z.B. Fremdsprachenkurse und EDV-Kurse.