Page 27 - Landinfo Heft 2/2018 Schwerpunkt 150 Jahre Weinsberg
P. 27
Betrieb und Markt
Martina Stock
Diversifizierung – eine Fördermaßnahme mit Potenzial
Es gibt viele Gründe, die landwirtschaftliche Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter motivieren, sich
ein neues Standbein – möglicherweise auch außerhalb der Landwirtschaft – aufzubauen. Landwirtinnen
und Landwirte in Baden-Württemberg können ihre Ideen für einen neuen Betriebszweig über die
Fördermaßnahme Diversifizierung fördern lassen, die durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds
für die Entwicklung des Ländlichen Raums (ELER) unterstützt wird. Zur Wirkung dieser
Fördermaßnahme wurde eine Studie vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz in
Auftrag gegeben. Dreißig Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter wurden befragt, was sich für sie durch
die Diversifizierung verändert hat. Überdies wurden Diversifizierungsexpertinnen und -experten zu
Chancen und Risiken der Diversifizierung und dieser Fördermaßnahme interviewt. Die Ergebnisse
wurden im Rahmen eines Workshops im Februar 2018 präsentiert und mit den Akteuren auf Basis der
World-Café-Methode vertieft mit dem Ziel, Anregungen für die weitere Ausgestaltung der
Fördermaßnahme Diversifizierung zu gewinnen.
Chancen in der Diversifizierung Anlass dafür, sich und seinen Betrieb von den
agrarpolitischen Entscheidungen stärker ab-
ie Rahmenbedingungen für die Diversifi- zukoppeln, wie der Referent in der Vergan-
Dzierung haben sich in den vergangenen genheit beobachtet hat. Überdies werde aber
Jahrzehnten verändert. Darauf ging zunächst mit der Diversifizierung auch die Grundlage
Prof. Dr. Otmar Seibert von der Forschungs- gelegt, die Betriebsnachfolge zu erleichtern.
gruppe Agrar- und Regionalentwicklung Die in den Betrieb einheiratenden Ehepart-
Triesdorf (ART) in seinem Vortrag ein. Lan- ner brächten oftmals Berufe mit, die fern der
ge sei die Suche nach alternativen Erwerbs- landwirtschaftlichen Ausbildung sind und
möglichkeiten in der Landwirtschaft verpönt Grundlage für einen neuen Betriebszweig
gewesen. Die Betriebe konzentrierten sich sein könnten.
auf ihr Kerngeschäft, die Landwirtschaft.
Mittlerweile sei dies anders: Die Diversifizie- Die Bedeutung der Diversifizierung ist des-
rung sei gesellschaftlich akzeptiert und zu- halb aus Sicht des Referenten hoch. Zum ei-
nehmend diversifizierten Landwirtinnen und nen stelle sie einen Einkommensbeitrag für
Landwirte, weil sie darin vielfältige Entwick- den Betrieb dar. Zum anderen könnten auch
lungsmöglichkeiten für sich und ihre Betriebe Ressourcen des Betriebes besser genutzt wer-
sähen. Die Motivation für solche Entschei- den oder die Betriebsleiterinnen und Be-
dungen sei hierbei in den Betrieben unter- triebsleiter erkennen neue Bedarfe und er-
schiedlich. Beispielsweise werde diversifiziert, schließen damit einen neuen Markt. Der Re-
wenn innerfamiliäre Veränderungen anstün- ferent machte deutlich, dass hier öffentliche
den, Chancen in neuen Märkten erkannt wür- Anlaufstellen eine wichtige Rolle spielten und
den, sich der Rechtsrahmen verändere oder in die Unterstützung durch Beratung sehr
der Gesellschaft neue Bedarfe entstünden. wichtig ist.
Grundsätzlich seien auch die Unternehmens-
strategien verschieden. Die einen sähen ihre Einkommenskombinationen in
Chancen in der Spezialisierung oder im Baden-Württemberg
Wachstum, die anderen in der Rationalisie-
rung oder in der Umstellung auf ein neues Die Schaffung von Einkommenskombinatio-
Bewirtschaftungssystem, wie etwa den ökolo- nen ist europaweit ein Thema, erläuterte an-
gischen Landbau oder die soziale Landwirt- schließend Dr. Markus Meyer, Projektleiter
schaft. Diversifizierung sei auch oftmals ein der ART. In der EU27 hätten sich 2010 be-
Landinfo 2 | 2018 27